Barcelona (dpa) – Der große Triumphator hieß Hansi Flick. Nach der 1:4 (1:3)-Demontage in der Champions League konnte der neue Bayern-Coach Vincent Kompany dem früheren Münchner Triple-Trainer in Diensten des FC Barcelona nur noch gratulieren. Auch Spieler wie Thomas Müller klatschten ihren früheren Trainer ab.
«Es gibt null Ausreden. Es gibt nur eine deutliche Niederlage», sagte Kompany bei DAZN. Auch Joshua Kimmich meinte: «Der Spielverlauf war jetzt kein 4:1. Aber trotzdem war es eine verdiente Niederlage. Es ist teilweise Harakiri, was wir gemacht haben.»
Mit dem Hochrisiko-Fußball à la Kompany erlebte der FC Bayern bei diesem Wiedersehen mit Flick einen ganz bitteren Abend. Während der herausragende Brasilianer Raphinha für Barcelona dreimal traf und Flick am Spielfeldrand jeden einzelnen Treffer begeistert bejubelte, blieben für die Münchner zwei gefährliche Erkenntnisse:
Nach nur drei Punkten aus den ersten drei Vorrundenspielen gerät die direkte Qualifikation für das Achtelfinale in der Champions League zunehmend in Gefahr. Und mehr noch: Anders als in der Bundesliga ist der gewagte Pressingfußball ohne Absicherung und ohne starke Verteidiger international in der dargebotenen Form nicht titelfähig.
«Ich mache mir keine Sorgen», sagte Kimmich zwar. Aber Barças Offensivstars nutzten die vielen Räume durch Raphinha (1./45./56. Minute) und den Ex-Münchner Robert Lewandowski (36.) mit brachialer Effektivität. «Wir sind super zufrieden mit dieser Nacht. Wir haben wirklich gut gespielt», sagte Raphinha.
Ein anfangs starker Mittelstürmer Harry Kane, der zum 1:1 traf (10.), war da als Bayern-Antwort vor 50.312 Zuschauern im Olympiastadion von 1992 zu wenig. Die Münchner verloren in der Königsklasse nur zweimal noch deutlicher – jeweils beim 0:4 in Barcelona (2009) und gegen Real Madrid (2014).
Für Jamal Musiala spielte bei den Bayern Thomas Müller auf der Zehner-Position, was bedeutete: Die Bayern hatten sieben Spieler in der Startelf, die 29 Jahre oder älter sind. Bei Barcelona waren es sechs, die 21 oder jünger sind.
In der Spielanlage sind sich diese beiden Giganten des europäischen Fußballs dafür sehr ähnlich: hohes Risiko, permanentes Pressing. Beide Abwehrreihen verteidigten an der Mittellinie.
Gegentor nach 58 Sekunden
Die Schwächen dieses Stils legte Barcelonas Angriff schon nach 58 Sekunden offen. Ein einfacher Steilpass von Fermin Lopez ließ den Brasilianer Raphinha völlig allein auf das Bayern-Tor zulaufen – 1:0!
Die Münchner reagierten jedoch zunächst noch reif und selbstbewusst auf diese kalte Dusche. Ein erster Treffer von Kane wurde wegen Abseits‘ noch einkassiert (10.). Der zweite nach schöner Vorarbeit von Serge Gnabry zählte dann.
Zu diesem Zeitpunkt sah es noch so aus, als würde der Engländer das Duell der beiden Super-Neuner zwischen Kane und Lewandowski für sich entscheiden. Denn Bayerns aktueller Torjäger hätte schon dreimal treffen können, bevor Bayerns früherer Starstürmer zum ersten Mal aufs Tor schoss (26.).
Doch das änderte sich, als sich Spaniens Tabellenführer nach einer halben Stunde deutlich besser auf das Bayern-Spiel eingestellt hatte. Angetrieben von der herausragenden Dreierreihe Fermin, Raphinha und Lamine Yamal drehte Barça jetzt regelrecht auf.
Auch bei Lewandowskis erstem Barcelona-Treffer gegen die Bayern leistete Fermin die Vorarbeit. Die Münchner protestierten nach diesem Tor noch wegen eines vermeintlichen Foulspiels gegen Min-Jae Kim. Beim 1:3 kriegten sie dann Raphinha erneut nicht in den Griff.
Kompany wechselt viermal
Und das ging nach der Pause genauso weiter: Beim 4:1 lief Raphinha der kompletten Innenverteidigung der Bayern davon. Im Sommer galt der einstige 58-Millionen-Transfer von Leeds United noch als Verkaufskandidat. Seit Flick sein Trainer ist, spielt der 27-jährige Brasilianer aber in der Form seines Lebens.
Kompany reagierte auf das Debakel mit einem Vierfach-Wechsel in der 60. Minute. Unter anderem kamen Musiala und der kaum noch berücksichtigte Leon Goretzka ins Spiel.
Doch dieser Abend war für den FC Bayern gelaufen. Offensiv lief trotz einiger guter Ansätze bei Kingsley Coman (66.) und Leroy Sané (78.) nichts mehr zusammen.
Richtig laut wurde es im Stadion nur noch einmal, als der überragende Raphinha in der 75. Minute ausgewechselt wurde. Er ist nach Roy Makaay, Sergio Aguero und Cristiano Ronaldo erst der dritte Spieler, dem in einem Champions-League-Spiel drei Tore gegen den FC Bayern gelangen.