Madrid (dpa) – Die Körpersprache von Nuri Sahin sagte mehr als tausend Worte. Mit ernster Miene und leerem Blick suchte der Dortmunder Trainer nach Erklärungen für die am Ende krachende 2:5 (2:0)-Niederlage bei Real Madrid. Die vielen Fragen, ob er mit seiner Umstellung auf eine defensivere Taktik beim Stand von 2:0 für den BVB einen Teil zum Einbruch seiner Mannschaft beigetragen habe, schürten den Frust des Fußball-Lehrers zusätzlich.
«Wenn man verliert und fünf Tore kassiert, kann man das natürlich sagen», antwortete der 36-Jährige zunehmend gereizt, «aber ich glaube nicht, dass es an der Systemumstellung lag.» Gleichwohl wollte er sich nicht vollends aus der Verantwortung stehlen: «Am Ende ist es nicht aufgegangen. Das ist dann auch mein Fehler, dem ich mich stellen muss.»
Sahin im Mittelpunkt der Debatte
Die Maßnahme Sahins, in der 55. Minute Abwehrspieler Waldemar Anton für Angreifer Jamie Gittens einzuwechseln und auf eine Fünferkette umzustellen, sorgte für einen deutlichen Bruch im bis dahin starken Spiel der Borussia. Nur sieben Minuten später glich Real durch Tore des deutschen Nationalspielers Antonio Rüdiger (60. Minute) und Vinícius Júnior (62.) aus. Weitere Tore von Lucas Vásquez (83.) und Vinícius Júnior (86./90.3.) besiegelten die Dortmunder Niederlage.
Sahin stand damit im Mittelpunkt einer hitzigen Debatte um einen folgenschweren Wechsel, der ihm vor allem im Internet viel Kritik einbrachte. Sebastian Kehl sprang dem Trainer demonstrativ zur Seite. Für den Sportdirektor hatte der Einbruch weniger mit der taktischen Umstellung des Trainers zu tun als mit der Einstellung der Profis: «Jetzt über taktische Dinge zu reden, macht keinen Sinn, weil wir in der zweiten Halbzeit grundsätzlich nicht mehr so aufgetreten sind wie in der ersten Halbzeit.»
Zudem verwies Kehl auf die großen Qualitäten des spanischen Starensembles, das für seine Comeback-Qualitäten bekannt ist: «Wir haben in der Pause explizit angesprochen, dass nach dem Seitenwechsel ein anderes Spiel auf uns zukommen würde, dass Real das so nicht auf sich sitzen lassen wird, deutlich höher stehen und deutlich mehr Druck aufbauen wird», erklärte Kehl, «das hat uns dann schnell eingeholt.»
Schmerzhaftes Déjà-vu
So erlebte die Borussia ein schmerzhaftes Déjà-vu. Wie schon im Champions-League-Finale knapp fünf Monate zuvor im Londoner Wembley-Stadion war sie auch im Fußball-Tempel Bernabeu in der ersten Halbzeit die bessere Mannschaft, konnte daraus aber erneut kein Kapital schlagen. Auch die beiden Tore von Donyell Malen (30.) und Gittens (34.) bescherten kein Happy End.
Das lag in diesem Fall vor allem an der bedenklichen Instabilität der Defensive, die auch schon in den vergangenen Bundesliga-Wochen viel Frust bereitet hatte. Gregor Kobel machte aus seiner Enttäuschung keinen Hehl, wollte sich aber nicht an der Taktik-Diskussion um Sahin beteiligen. «Die Auswechslungen sind nicht mein Thema. Aber es fühlt sich direkt nach dem Spiel kacke an. Du kriegst hier fünf Dinger rein. Wir müssen besser verteidigen, wir bekommen zu viele Tore», klagte der BVB-Torhüter.
Volle Konzentration auf Augsburg
In der Champions League konnten die Dortmunder diese Schwäche – mit Ausnahme des Einbruchs in der spanischen Hauptstadt – bisher halbwegs verkraften. Immerhin steht die Mannschaft nach den beiden klaren Auftaktsiegen gegen Brügge (3:0) und Celtic Glasgow (7:1) noch gut da und kann mit einem Heimsieg gegen Graz am 5. November die Real-Pleite vergessen machen.
Doch in der Bundesliga braucht es vor allem auswärts dringend mehr Defensivstärke, damit der Tabellensiebte nicht noch weiter abrutscht. Deshalb schwor Sportdirektor Kehl die Mannschaft noch im nächtlichen Madrid auf das kommende Spiel am Samstag beim FC Augsburg ein: «Es war sofort Thema in der Kabine. Ab sofort haben wir mit der Champions League nichts mehr am Hut und konzentrieren uns auf Augsburg. Das Spiel ist womöglich wichtiger als das, was heute hier passiert ist.»