Freiburg (dpa) – Julian Nagelsmann schickte nach dem höchsten Sieg seit seiner Amtsübernahme Kusshändchen auf die Tribüne zu seiner Freundin und zu seiner Mutter. Für das neue deutsche Kopfballungeheuer Jamal Musiala gab es eine herzliche Umarmung. Mit Spaß und Gier ist die deutsche Fußball-Nationalmannschaft zum Gruppensieg gestürmt und hat ihre Fans im letzten Heimspiel des Jahres mit einem weiteren grandiosen Fußball-Festival begeistert.
«Nahezu» perfekt sei es gewesen, sagte Bundestrainer Nagelsmann bei RTL: «Wir haben ein unglaublich gieriges Spiel abgeliefert.» Sieben Tore müsse man auch gegen so einen Gegner erstmal schießen.
«Ja, das hat Spaß gemacht», sagte Musiala. Mit dessen Blitztreffer per Kopf nach nur 80 Sekunden war die deutsche Mannschaft in Führung gegangen. «Ich muss den Kopfball noch mal anschauen, aber ich war echt stolz», sagte Musiala: «Die anderen waren einfach, das war ein richtiger Kopfball diesmal.»
Tim Kleindienst (23. Minute) mit seinem ersten Länderspiel-Tor und Kai Havertz (37.) sorgten beim 7:0 (3:0)-Sieg gegen Bosnien-Herzegowina schon in der ersten Halbzeit für klare Verhältnisse. Florian Wirtz (50. und 57.) per Doppelpack, Leroy Sané (67.) und erneut Kleindienst (79.) machten den höchsten deutschen Sieg in der Nations League im mit 28.143 Zuschauern ausverkauften Europa-Park-Stadion in Freiburg an einem euphorischen Fußball-Abend perfekt. Höher hatte Deutschland zuletzt vor drei Jahren noch unter Hansi Flick beim 9:0 gegen Liechtenstein gewonnen.
Matthäus: Eines der besten Spiele einer deutschen Mannschaft
Aber auch so kam Rekordnationalspieler Lothar Matthäus als RTL-Experte ins Schwärmen: «Das war eines der besten Spiele, das ich jemals von der deutschen Nationalmannschaft gesehen habe.» Nagelsmanns Reaktion darauf: «Das freut mich, dass wir dich unterhalten haben.»
Schon vor der Reise nach Budapest zum letzten Vorrundenspiel gegen Ungarn am Dienstag wurde der von Nagelsmann als Ziel ausgerufene Gruppensieg in dem UEFA-Wettbewerb damit souverän perfekt gemacht. Der positive Effekt von Platz eins: Im Viertelfinale im März bleiben Kapitän Joshua Kimmich und Co. K.o.-Duelle gegen Europameister Spanien oder Portugal um Cristiano Ronaldo erspart. Wer auf dem Weg zur Endrunde im Juni der letzte Gegner ist, erfährt Nagelsmann am kommenden Freitag.
Fürchten muss die Nationalmannschaft in dieser Form allerdings ohnehin keinen Kontrahenten. Der überforderte A-Liga-Absteiger Bosnien-Herzegowina von Trainer Sergej Barbarez bekam dies gnadenlos zu spüren. Nach der Lektion in Spaß-Fußball wechselte Nagelsmann ein Quartett um Musiala und Wirtz zur Schonung nach knapp 60 Minuten aus. Einen Bruch im deutschen Spiel gab es nicht.
Erst Nebel, dann Jubel: Tor nach 80 Sekunden
Dass Nagelmann nach nicht mal zwei Minuten das erste Tor der DFB-Elf bejubeln durfte, wird er vorher zumindest gehofft haben. Der dichte Nebel in Freiburg hatte sich fast ganz verzogen. Freier Blick also für die Fans auf Musialas famosen Kopfballtreffer.
Über mehrere Stationen landete der Ball bei Kimmich. Der Bayern-Profi, der mit seinem 96. Länderspiel Berti Vogts einholte, flankte in die Mitte auf seinen Münchner Vereinskollegen. Und der ließ sich nicht bitten: Musiala stieg in die Luft und köpfte den Ball spektakulär aus acht, neun Metern ins Tor. Gerade mal 1:20 Minuten waren da gespielt.
Sich mit der frühen Führung zufriedenzugeben, passt nicht in die Ausrichtung der Mannschaft unter Nagelsmann. Von Kleindienst über Havertz, dem rechtzeitig von einem Infekt wieder genesenen Wirtz und dem hochbegabten Spaßfußballer Musiala bis zur Abwehr blieb das DFB-Team hellwach und hungrig.
Leicht machte es Bosnien-Herzegowina, das unter Ex-Bundesliga-Profi Barbarez die sechste Niederlage im siebten Spiel kassierte und gerade mal ein Remis schaffte, den Gastgebern zumindest taktisch nicht. Die Gäste zogen sich weit in die eigene Hälfte zurück. Stuttgarts Angreifer Ermedin Demirovic, der für den überraschend zunächst auf die Bank beorderten Kapitän Edin Dzeko ersetzte, konnte sich offensiv praktisch gar nicht auszeichnen.
Havertz erstes Tor aus dem Spiel heraus seit Anfang Juni
Dafür aber Gladbachs Kleindienst. Nach einem Abwehrversuch der Bosnier landete der Ball bei Robert Andrich. Seinem Schuss gab Kleindienst mit einer kleinen, aber feinen Berührung noch mal eine Richtungsänderung – maßgerecht ins Tor.
Havertz dreimal, einmal Musiala, trotz der Defensiv-Taktik der Gäste spielte sich das deutsche Team auch danach weiter fleißig Chancen heraus. Dass bei einem der wenigen gegnerischen Angriffe Torwart Oliver Baumann an ehemaliger alter Wirkungsstätte einen Schuss von Nail Omerovic (34.) ohne Mühe festhielt und kurz vor der Pause gegen Holstein Kiels Armin Gigovic glänzend parierte, passte zu der deutschen Fußball-Gala.
Erst recht, als dann auch Havertz traf. Voraus ging eine herrliche Kombination. Für Havertz war es nach drei Elfmeter-Treffern das erste Tor aus dem Spiel heraus im DFB-Trikot seit dem 7. Juni bei 2:1 im EM-Test gegen Griechenland. Da wollte sich auch Wirtz nicht lumpen lassen und traf wenige Minuten nach dem Seitenwechsel. Beim direkt verwandelten Freistoß sah Gäste-Keeper Nikola Vasilj vom FC St. Pauli nicht gut aus – zumal er zuletzt in der Liga ein vergleichbares Tor durch Musiala kassiert hatte.
Matthäus-Urteil: «Deutsche Mannschaft spielt Traumfußball»
Per Abstauber erhöhte Wirtz, ehe er und auch Musiala unter Applaus ausgewechselt und von einem sichtbar erfreuten Nagelsmann an der Seitenlinie empfangen wurden. In seinem ersten Länderspiel seit dem EM-Aus war Sané nur wenige Minuten nach seiner Einwechslung für Musiala zur Stelle, ehe noch einmal Kleindienst traf.