Rom (dpa) – Thomas Tuchel war im Teamhotel des FC Bayern mit Blick auf den Petersdom eine extragroße Anspannung nicht anzumerken. Und doch hätte sich der 50-Jährige für seine erste Rom-Reise als Fußballtrainer günstigere Vorzeichen gewünscht.

Kurz gesagt: Entspannte Vorfreude statt Mega-Druck. An Dolce Vita in der frühlingshaft sonnigen und warmen italienischen Hauptstadt ist für Tuchel seit Leverkusen nicht mehr zu denken.

Nach der Demütigung im Bundesliga-Topspiel muss Taktik-Verzocker Tuchel mit seinen beim 0:3 kollektiv versagenden Fußballstars im Stadio Olimpico dringend liefern. Ein weiterer Aussetzer gegen Lazio Rom zum Start in die K.o.-Phase der Champions League am Mittwoch (21.00 Uhr/DAZN) wäre fatal. Einen «wachsenden Druck» spüre er dennoch nicht: «Wir müssen nicht komplett in Schutt und Asche gehen. Selbst wenn Bayern München verliert, geht die Sonne wieder auf.» Im Moment herrscht aber eher Gegenwind, gerade auch für ihn. Der öffentlichen Kritik entzog er sich, indem er «offline» gewesen sein, «aus Selbstschutz».

Neuer: «Man muss immer wieder aufstehen»

Vor Tuchel saß Kapitän Manuel Neuer auf dem Pressekonferenz-Podium und gestand, dass ihn das Versagen in Leverkusen immer noch nachdenklich stimme: «Verdaut haben wir das nicht, wenn man da so untergeht», sagte der Nationaltorhüter, der sich weiter mit leichten Knieproblemen plagt. «Jeder hat den Hunger, eine bessere Leistung zu zeigen. Wir müssen bei Bayern mit einer gewissen Überzeugung spielen, erwachsen sein. Man muss immer wieder aufstehen. Wir wollen unbedingt in die nächste Runde einziehen.»

Sportdirektor Christoph Freund äußerte sich ähnlich. «Wir sind der FC Bayern München und dafür da, Erfolge einzufahren. Wir sind gekitzelt. Wir nehmen auch einen dreckigen Sieg.»

Münchner Anspruch und Wirklichkeit

Nach einer souveränen Gruppenphase mit fünf Siegen und einem Remis hatte Tuchel nach der Achtelfinal-Auslosung natürlich die Favoritenrolle gegen Lazio beansprucht: «Wir haben auf jeden Fall den Anspruch, in 180 Minuten das Duell für uns zu entscheiden.»

Anspruch und Wirklichkeit: Genau da tut sich beim FC Bayern 2024 eine Kluft auf. Konstant ist bei den Tuchel-Bayern nach elf Monaten Zusammenarbeit nur die Sprunghaftigkeit, der stete Wechsel zwischen «Ausreißern nach oben und nach unten», wie selbst Tuchel sagte: «Ich bin persönlich nicht zufrieden mit dem Level, auf dem wir spielen – konstant spielen.»

Einstellung, Siegeswille, Offensiv- und Defensivleistung – in allen Bereichen müssen sich die Bayern in Rom steigern. Gegen ein Team, das in Italiens Serie A Tabellenachter ist und das vom 33 Jahre alten Ex-Dortmunder Ciro Immobile als Kapitän und Topstar angeführt wird.

Müller und «das Blitzen in den Augen»

Als zu «verkopft» brandmarkte Thomas Müller das Bayern-Spiel. Ihm fehlt das einfache Zocken mit Ball und die Gier auf dem Platz, «dieses Blitzen in den Augen». Charakter ist gefordert, Persönlichkeit, Führung. Tuchel mahnte, «eine Reaktion zu zeigen». Freund sagte über den Trainer: «Er zweifelt nicht an seiner Arbeit. Er versucht, in Lösungen zu denken.»

Wie reagiert Tuchel, nachdem er sich gegen Leverkusen mit einer Systemumstellung und einer fragwürdigen Personalauswahl verspekulierte? Setzt er in Rom auf Spieler mit Bayern-DNA? Anführer Müller und Antreiber Joshua Kimmich sind dafür Kandidaten. «Thomas kann der Mannschaft immer sehr viel geben», sagte Freund. «Der letzte Punch hat gefehlt», kritisierte Tuchel in Leverkusen. Kein Bayern-Punch in einem Topspiel? Was ist da los?

Als Musiala sehr viel Spaß hatte

Vor drei Jahren trafen die Bayern schon einmal im Achtelfinale auf Lazio. Das Premieren-Duell – mit Hansi Flick auf der Bank – ist unvergessen, aus zwei Gründen: Mitten in der Corona-Pandemie fand das 4:1 praktisch ohne Zuschauer statt. Und Jamal Musiala war damals der Mann des Abends. Im Alter von 17 Jahren und 363 Tagen avancierte er zum bis heute jüngsten Königsklassen-Torschützen des FC Bayern.

«Es war ein richtig cooles Spiel für mich, ich hatte sehr viel Spaß», erinnerte Musiala. Auch bei der Rückkehr ins diesmal gefüllte und damit stimmungsvolle Olimpico steht Musiala im Fokus. Denn in Leverkusen funktionierten gerade auch die offensiven Lieferketten bei den Münchnern überhaupt nicht. «Uns ist nichts eingefallen nach vorne», rügte Kimmich.

Der unsichtbare Kane

Tuchel vermisste Leichtigkeit und Durchsetzungsvermögen. Vor allem rätselte er, «warum wir es gar nicht geschafft haben, Harry ins Spiel zu bringen.» Torjäger Kane kam gerade mal auf 18 Ballkontakte. Musialas Lösungsansatz klingt simpel: «Wir müssen auf unsere Abläufe vertrauen, in die Eins-gegen-eins-Situationen gehen, Doppelpässe suchen.» Und er sprach die Einstellung an: «Es wird wichtig sein, dass unser Energielevel auf dem Maximum ist.»

Die voraussichtlichen Aufstellungen:

Lazio Rom: Provedel – Marusic, Casale, Romagnoli, Hysaj – Cataldi – Guendouzi, Vecino – Felipe Anderson, Immobile, Pedro

Bayern München: Neuer – Mazraoui, Upamecano, Kim, Guerreiro – Kimmich, Goretzka – Sané, Müller, Musiala – Kane

Schiedsrichter: François Letexier (Frankreich)

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