Berlin (dpa) – Nach dem Arbeitssieg im Beinahe-Abbruchspiel nahm Abwehrchef Robin Knoche die lange Zwangspause durch die erneuten Fan-Proteste mit einer Prise Humor.
«Ich brauche noch ein paar Tennisbälle, die nehme ich einfach mit», sagte er nach einem mitunter fast frühlingshaften Nachmittag im Stadion An der Alten Försterei und dem so wichtigen 1:0 (1:0) des 1. FC Union Berlin gegen den VfL Wolfsburg. «Zum Glück war es heute nicht ganz so kalt wie in Mainz», betonte er mit Blick auf die Nachholpartie am vergangenen Mittwoch beim 1. FSV.
Erst Stimmungsboykott, dann Tennisbälle
Das Match in Mainz war ebenfalls durch Proteste von Fans gegen den Investoren-Einstieg bei der Deutschen Fußball Liga unterbrochen worden. Das Heimspiel am Samstag stand aber sogar ganz knapp vor dem Abbruch. Das hatte Schiedsrichter Matthias Jöllenbeck unmissverständlich klargemacht. Eine insgesamt über 30-minütige Unterbrechung reichte ihm. Nach einem anfänglichen Stimmungsboykott hatten die Fans beider Lager ihren gesteigerten Unmut gegen die Pläne der Deutschen Fußball Liga mit dem Werfen von Tennisbällen fortgesetzt. Erst immer wieder aus den Reihen der Heim-Fans, dann als Jöllenbeck die Partie nach einer ersten gut elfminütigen Pause wieder anpfiff, aus dem Block der gut 2000 mitgereisten VfL-Anhänger.
«Jeder hat seinen Standpunkt. Mehr will ich dazu gar nicht sagen», sagte Unions Knoche. «Es ist etwas, dass die Fans für sich nutzen», meinte Wolfsburgs Maximilian Arnold: «Wie sollen sie es sonst zeigen? Sie versuchen, Aufmerksamkeit zu generieren, was ihr gutes Recht ist.»
Tor in der 25. Minute der Nachspielzeit
Der VfL-Kapitän selbst war zu den Fans gegangen und hatte mit ihnen gesprochen und nach eigener Aussage wiedergegeben, was der Schiedsrichter ihm mitgegeben hatte: Beim nächsten Mal würde die Partie abgebrochen. Immerhin, zum Äußersten kam es (noch) nicht.
Nach der fast halbstündigen Nachspielzeit der ersten Hälfte, in der Danilho Doekhi (45.+25) den einzigen Treffer erzielte und Union den vierten Heimsieg nacheinander bescherte, beließen es die Fans bei ihren Gesängen. Ihre erneute Machtdemonstration in einer festgefahren erscheinenden Argumentationslage dürfte auch in der DFL-Zentrale mehr als nur zur Kenntnis genommen worden sein. Ein Spielabbruch scheint nur noch eine Frage der Zeit.
Er habe Verständnis für Proteste und Demonstrationen, sagte Wolfsburgs Trainer Niko Kovac. «Aber ich finde, irgendwann sollten wir schon einen gemeinsamen Weg finden, dass das aufhört. Wir können ja jetzt nicht jedes Mal 30 Minuten länger spielen», betonte er: «Wobei ich sagen muss, dass meine Mannschaft damit keine Probleme hatte.»
Aus der Überlegenheit konnte sein Team aber nichts machen. Der VfL wartet nicht nur weiter auf den ersten Sieg in diesem Jahr, nach vier Unentschieden nacheinander gab es nicht mal einen Punkt. Auch für Kovac selbst keine leichte Zeit.
Kovac-Kritik am Schiedsrichter
Unverständnis und deutliche Kritik äußerte er am Schiedsrichter und dem VAR: Moritz Jenz hatte mit Platzwunde und vermutlich gebrochener Nase vor dem Tor der Unioner ausgewechselt werden müssen nach einem Zweikampf mit Andras Schäfer. Absicht unterstellte Kovac dem Profi der Berliner überhaupt nicht, ein Foul sei es aber gewesen.
Landsmann Bjelica feierte an diesem denkwürdigen Nachmittag mit XXL-Spieldauer, wie es Union nannte, indes eine gelungene Rückkehr auf die Bank nach drei Spielen Sperre. Nach seinem doppelten Griff im Nachholspiel gegen den FC Bayern wurde er vom DFB, aber auch von den Eisernen sanktioniert, die Union-Fans ließen sich vor dem Spiel schon bei der Vorstellung nichts anmerken und brüllten auch bei dem 52 Jahre alten Kroaten das obligatorische «Fußball-Gott».
Doch nicht Bjelica oder das Wiedersehen der Unioner mit dem neuen VfL-Stürmer Kevin Behrens waren die großen Geschichten dieses Spiels. Die schrieben die Fans. Und das auch buchstäblich. Mit Bannern wie «Private-Equity-Heuschrecken ohne Einflussnahme?» oder «DFL-Geprüfte Investoren: Finanziert vom Saudischen Blutgeld» unterstrichen sie ihre Position.
Tennisbälle seien kein Verbrechen, riefen sie. Als die Mannschaften zu einer weiteren Unterbrechung in die Kabine geschickt wurden, hallte «Auf Wiedersehen» durchs Stadion in Berlin-Köpenick. «Die Botschaft sei sehr, sehr klar und deutlich angekommen», betonte Stadionsprecher Christian Arbeit, der auch der Kommunikationschef der Berliner ist, über das Außenmikrofon. In einer weiteren Durchsage sagte er: «Wir sind so, so kurz davor dieses Spiel nicht weiter austragen zu können.»
Im Block der VfL-Fans wurden dann immer wieder Pyros abgebrannt. Tennisbälle flogen aber zumindest nicht mehr auf den Platz. Auch weil Frederik Rönnow im Tor der Berliner einen Top-Tag erwischt hatte und die Chancen der Gäste vereitelte, verteidigten die Gastgeber den knappen Vorsprung. Als die Partie abgepfiffen wurde, zeigte die ausgelassene Freude der Union-Profis, wie wichtig dieser Sieg war.
In der Tabelle wuchs der Vorsprung des Tabellen-15. auf den Relegationsrang vorerst auf sechs Punkte an. Der 1. FC Köln kann mit einem Sieg am Sonntag aber wieder verkürzen, Gegner ist allerdings auswärts die TSG 1899 Hoffenheim.